...Vivier, Reger, Lachenmann, Martin
SWR Vokalensemble singt...
»Das ist eine Sache zwischen Gott und mir«, hatte Frank Martin gesagt, als er widerstrebend seine doppelchörige Messe herausrückte. 40 Jahre hatte sie in der Schublade gelegen, bevor sie 1962 zum ersten Mal zu hören war.
Auch Claude Viviers »Jesus erbarme dich« ist ein sehr persönliches Werk, ein einsamer Stoßseufzer, der sich zu einem flammenden Gemeinschaftsgebet steigert. Vivier, der ursprünglich Priester werden wollte, hat es unter dem Eindruck fernöstlicher Gebetsrituale geschrieben.
Auch die »Geistlichen Gesänge« op. 138 markieren für Max Reger einen ganz besonderen Moment: Nach einem lebensbedrohlichen Zusammenbruch hat er sie geschrieben und seinem Arzt gewidmet. Es sind für Regers Verhältnisse ungewöhnlich schlichte Stücke, archaisch und spätromantisch zugleich: ein Neuanfang nach dem Überleben.
Auch Helmut Lachenmanns »Tröstung« von 1965 ist ein Bekenntnis - und ein Schlüsselwerk der Neuen Vokalmusik: Der Klang der Sprache des Wessobrunner Gebets ist das Material, mit dem er komponiert. Zart, zerbrechlich, stumm. »Ein geistliches Werk? Vielleicht, aber nicht von Schuld und Erlösung ist die Rede, sondern von jener Erfahrung, die jeglichem Denken zugrunde liegt: der Sterblichen Staunen« (Helmut Lachenmann).
Hegelsaal der Liederhalle Stuttgart, 31. Juli 2022
Fotocredit: SWR/Klaus J.A. Mellenthin