Aus dem Teatro Real in Madrid
Sergei Prokofjew: »Der feurige Engel«
Neuinszenierung von Calixto Bieito
Prokofjews komplexes Meisterwerk in einer radikalen Inszenierung von Calixto Bieito. Der feurige Engel beeindruckt durch seine reiche Orchestrierung und gilt bei Kritikern seit der Uraufführung 1954 als die ambitionierteste und stärkste Oper des im Jahr zuvor verstorbenen russischen Komponisten und Dirigenten. Literarische Grundlage ist der 1907 erschienene, gleichnamige Roman des russischen Dichters und Symbolisten Waleri Brjussow.
Die Handlung spielt im Köln des 16. Jahrhunderts und dreht sich um eine geheimnisvolle junge Frau namens Renata, der bereits im Kindesalter der Teufel in Gestalt eines feurigen Engels erschien. Besessen von ihm gibt sie sich der Hexerei hin und endet schließlich auf dem Scheiterhaufen. Eine Geschichte von leidenschaftlichem Begehren und spiritueller Liebe, Wahn und Wirklichkeit, die Sergei Prokofjew in eine Oper voll lyrischer Strahlkraft und greller Dissonanz verwandelte.
Calixto Bieito verlegt die Handlung in die Gegenwart und macht aus Renata eine junge Frau im psychischen Ausnahmezustand. Eine zerstörerische Reise zum eigenen Selbst, »bei der es um Schizophrenie, bipolare Störung, Traumata, Angst und Depression geht – also um Phänomene, die heutzutage sehr häufig auftreten«, so der spanische Regisseur. »Wir tauchen ein in die unbekannte Welt der Geisteskranken.« So erklärt sich auch das erstaunliche Bühnenbild, wo ein mehrstöckiger Kubus auf einer Drehbühne Renatas Psyche darstellt. »Wir durchqueren die Räume ihrer Erinnerung, sehen ihre Ängste, ihren Schmerz, das Labyrinth ihrer Seele. Im Laufe der Oper zerfällt der Kubus zusehends, wie auch Renatas Verstand sich immer mehr auflöst, bis sie schließlich komplett die Orientierung verliert.«
Prokofjews komplexes Meisterwerk wird nur selten aufgeführt. Wenn sich Künstler finden, die der Herausforderung gerecht werden, dann ist dies ein Ereignis. So auch hier, dank der originellen und radikalen Inszenierung sowie begnadeter Solisten wie der litauischen Sopranistin Ausrine Stundyte und des britischen Baritons Leigh Melrose.
Inszenierung: Calixto Bieito
Bühne: Rebecca Ringst
Kostüme: Ingo Krügler
Licht: Franck Evin
Video: Sarah Derending
Coro y Orquesta titulares del Teatro Real, Gustavo Gimeno
Mit Ausrine Stundyte (Renata), Leigh Melrose (Ruprecht), Dmitry Golovnin (Agrippa von Nettesheim / Mephisto), Agnieszka Rehlis (Oberin / Wahrsagerin), Mika Kares (Inquisitor), Nino Surguladze (Die Wirtin), Dmitry Ulyanov (Faust), Josep Fado (Jacob Glock / Ein Arzt), Gerardo Bullón (Matthieu Wissmann / Der Wirt), Ernst Alisch (Graf Heinrich)
Fotocredit: Arte