Streifzüge durch die Musiklandschaft Armenien
Aus der Tiefe der Seele
Die Geschichte der armenischen Musik geht weit bis in die Antike zurück. Die liturgischen Gesänge gehören zu den ältesten schriftlich überlieferten Klängen der Welt. Zunächst vermutet man einen Druckfehler, wenn bei manchen Werken ein Komponist aus dem fünften Jahrhundert genannt wird. Diese Seite Armeniens ist der westlichen Welt bis heute weitestgehend verborgen geblieben. Denn immer noch steht das Land für Vertreibung und Vernichtung. Der Genozid von vor über hundert Jahren bestimmt den europäischen Blick.
Der armenische Priester und Musikwissenschaftler Komitas bildet die Schnittstelle zwischen der archaischen Musik und der Moderne in Armenien. Zudem haben sieben Jahrzehnte Sowjetherrschaft den Zugang zu den kulturellen Schätzen von außen fast vollständig unterbrochen. »Aus der Tiefe der Seele« ist eine musikalische Entdeckungsreise auf der Suche nach dem Klang Armeniens – zwischen gestern und heute. Denn wer armenische Künstler der Gegenwart trifft, begegnet immer auch ihrer Vergangenheit. Der 79-jährige Komponist Tigran Mansurian vereint traditionelle armenischen Musik und Avantgarde und wird dafür auch im Westen bestaunt und geschätzt. Der renommierte Duduk-Spieler Geworg Dabaghjan ergreift mit süß-traurigen Klängen Ohren und Herz.
Ähnlich betörend ist das Geghard Ensemble mit seinen einzigartigen Interpretationen mittelalterlicher Liturgien. Der achtköpfige Frauenchor singt im St.-Geghard-Kloster, das in Höhlen gemeißelt wurde und zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Aber auch Liebhaber härterer Klänge greifen auf Altbewährtes zurück: Der Frontmann der Metalband Ayas arbeitet mit alten Tonsystemen und Gesangstechniken, die schon die einstigen Geistlichen nutzten. Quer durch alle Genres verbindet die armenische Musikszene stets die Hinwendung zur Tradition und zur eigenen Geschichte.
Fotocredit: Arte/Mitja Hagelüken