Opernfestspiele Aix-en-Provence 2023
Alban Berg: »Wozzeck«
Live - leicht zeitversetzt - vom Opernfestival in Aix-en-Provence: Bei seiner dritten Arbeit für das renommierte Festival nahm sich Simon McBurney Alban Bergs Oper an. Aus der schauerlichen Handlung von »Wozzeck« hat er eine eindrucksvolle Allegorie auf eine von Liebe, Verlangen und Tod gequälte Menschheit geschaffen. Bergs Oper war die erste atonale Oper überhaupt und prophezeite die kommende Welt – unsere Welt – und machte damit aus Wozzeck ein Sinnbild unserer Zeit. Sir Simon Rattle dirigiert bei der Neuinszenierung das London Symphony Orchestra.
Das von Simon McBurney inszenierte Stück erzählt vor dem Hintergrund des sozialen Elends nach dem Ersten Weltkrieg vom Niedergang eines braven Soldaten, der – vom Krieg gebrochen und von Eifersucht zerfressen – seine Geliebte tötet.
Die Zuschauer befinden sich im Kopf von Wozzeck, dem Sündenbock eines ganzen Gesellschaftssystems und Prototyp der Armutsbevölkerung der Neuzeit. Er steht am Anfang des Stücks kurz vor dem Selbstmord und erinnert sich in einer Flut von Rückblenden an tatsächlich erlebte oder eingebildete Ereignisse, die ihn dazu gebracht haben, seine Geliebte Marie zu ermorden.
Georg Büchner zeichnet das eindringliche Porträt eines Mannes in der Frühzeit der Industrialisierung und der gnadenlosen Verdinglichung des Menschen, die in den Massengräbern des Ersten Weltkriegs ihren traurigen Höhepunkt findet.
Traumatisiert von diesem Krieg, in dem er selbst kämpfen musste, bearbeitete der österreichische Komponist Alban Berg Büchners Drama mit seinen eigenen revolutionären musikalischen Konzepten. Mit »Wozzeck« schrieb er die erste atonale Oper überhaupt und erforschte die Technik des Sprechgesangs, die einige Jahre zuvor von seinem Mentor Arnold Schönberg erfunden worden war.
Fugen und Inventionen, Suiten und Sonaten, Rhapsodie, Militärmarsch, Wiegenlied, Passacaglia und Rondeau, Symphonie, Zwischenspiele, wagnerianische Leitmotive – die radikale und innovative Musik dieses »Wozzeck« ist ein expressionistisches Meisterwerk, das die Zuschauer bei der Uraufführung überwältigte und die Oper direkt in die Moderne führte.
Inszenierung: Simon McBurney
Bühne: Miriam Buether
Kostüme: Christina Cunningham
Video: Will Duke
Licht: Paul Anderson
Estonian Philharmonic Chamber Choir
Maîtrise des Bouches-du-Rhône
London Symphony Orchestra, Sir Simon Rattle
Mit Malin Byström (Marie), Christian Gerhaher (Wozzeck), Thomas Blondelle (Tambourmajor), Brindley Sherratt (Doktor), Peter Hoare (Hauptmann, Der Narr), Héloise Mas (Margret), Matthieu Toulouse (Erster Handwerksbursche), Tomasz Kumięga (Zweiter Handwerksbursche), Robert Lewis (Andres)
Fotocredit: Arte