Gastspiel der Uraufführung des Staatstheaters Nürnberg beim Heidelberger Stückemarkt
Boris Nikitin: Erste Staffel. Zwanzig Jahre groẞer Bruder
Diese Sendung ist ein Bezahlangebot
Kurz nach der Jahrtausendwende. Schröder ist Kanzler, Britney Spears in den Charts, Mohammed Atta ein unauffälliger Student in Hamburg. Und eine Handvoll Unbekannter bezieht einen Container, um sich vom TV-Publikum beobachten zu lassen. Ein scheinbar harmloser Wettbewerb, der einen ungeahnten – und heute fast vergessenen – Skandal und Medien-Hype auslöst.
Es ist der Beginn eines neuen Zeitalters, den Boris Nikitin rekonstruiert. Das Private wird schamlos zur Schau gestellt, der Alltag zu Entertainment, Man-Selbst-Sein wird zur neuen Arbeit und Sichtbarkeit zur Leitwährung. Aus Realität ist Reality geworden – mit allen Konsequenzen. Wie schauen wir zurück, wenn wir diese Keimzelle der Aufmerksamkeitsökonomie als Theater betrachten? Den Moment, seit dem der Große Bruder wirklich immer zuschaut, nur dass er nicht für einen totalitären Staat steht, wie in George Orwells visionärer Fiktion »1984«, sondern ganz real aus einem Millionenpublikum besteht.
»Damals haben wir über den Container gelacht, heute sitzen wir alle selber drin. Die Banalität des Alltags, etwas, das vorher keine öffentliche Relevanz besaß, wurde zum Produkt, das einem Wettbewerb ausgesetzt ist. Zuerst im Reality-TV, inzwischen in allen Lebensbereichen« (Boris Nikitin).
Publikumsgespräch im Anschluss.
Foto: Konrad Fensterer