Nationaltheater Mannheim
André-Ernest-Modeste Grétry | Zémire et Azor
Nigel Lowery inszeniert die Oper als Geschichte sexueller Erweckung
Prinz Azor lebt in einem einsamen Palast. Eine rachsüchtige Fee verwandelte ihn einst in eine bestialische Gestalt. Als ein fremder Kaufmann den Burgfrieden stört, verlangt Azor ein Menschenopfer als Strafe. Zémire, die Tochter des Kaufmanns, ist bereit, ihr Leben zu opfern. Bald aber entdeckt sie, dass Azors bestialische Gestalt eine andere Seele verbirgt.
Der Komponist André-Ernest-Modeste Grétry kleidet Gabrielle-Suzanne de Villeneuves Märchen »La belle et la bête« in eine unterhaltsame Komödie. Er stammt aus Liège und geht 1776 nach Paris, wo er sich dem Musiktheater widmet. Nachdem er mit seinem Debüt »Les mariages samnites« scheitert, erringt er 1768 mit »Le Huron« einen sensationellen Triumpf, dem sich eine Reihe von Erfolgen anschließt. Sein Ruf als Meister der Opéra comique verbreitet sich weit über Frankreich hinaus. Bis zum Ausbruch der Revolution verfasst er rund 40 Werke, darunter 1771 »Zémire et Azor« mit einem Text von Jean-François Marmontel. Die Uraufführung mit Arien, einem Ballett und gesprochenen Dialogen erfolgt in Fontainebleau. Die Mannheimer Hofoper zeigt 1776 eine italienische Fassung, bei der alle gesprochenen Dialoge durch Rezitative ersetzt werden.
In einer Inszenierung von Nigel Lowery bringt das Mannheimer Nationaltheater das Werk auf die Bühne des Schlosstheaters Schwetzingen. Lowery versteht die Oper als Geschichte sexueller Erweckung. »Es geht um ein Kind, das erwachsen wird«, erläutert er. Das bedeute »einen Übergang von einem kindlichen Ich« zu »einem Anpassen der Psyche an die Gesellschaft«. Azor habe diesen Anpassungsprozess fast hinter sich, aber er habe noch nicht gelernt, »dass er seine sexuellen oder bestialischen Triebe, seine Libido, nicht ungezügelt ausleben dürfe«. Die Grundlage für diese Interpretation findet Lowery in der Musik. Und er verweist auf die Cavatina »Vezzosa Rosa« zu Beginn der Oper, die er als »sehr einfache und tänzerische Musik« auffasst, während er die Musik im vierten Akt, wenn Zémire »diese starke Sehnsucht und dieses Bedürfnis« empfinde, viel heroischer sei. Für den Dirigenten Bernhard Forck besticht die Oper vor allem durch ihre farbenreiche Musik und überraschende Instrumentierung. Durch die Umwandlung der gesprochenen Rezitative in Dialoge habe sie etwas von ihrer Leichtigkeit verloren, »aber an Gewicht gewonnen«.
Programm und Besetzung
Musikalische Leitung: Bernhard Forck
Regie, Bühne, Kostüme: Nigel Lowery
Zémire: Amelia Scicolone
Azor: Patrick Kabongo
Ali: Raphael Wittmer
Sandro: Thomas Berau
Fatima: Seunghee Kho
Lesbia: Maria Polańska
Akademie für Alte Musik Berlin
Fotocredit: Christian Kleiner